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Eine Reise in den Kaffeeursprung

Unser Kaffee-Experte Till Robert nimmt euch mit nach Brasilien

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Kaffee ist viel mehr als ein Genussprodukt. Er ist ein Spiegel für gesellschaftliche Entwicklungen, Wetterphänomene und kulinarische Trends. Das zeigt der Job von Till Robert: Als Leiter Rohkaffee Einkauf ist er dafür verantwortlich, aus welchen Ländern die Kaffeebohnen für Dallmayr kommen. Dafür reist er regelmäßig in die Ursprungsländer – auch, um den Kontakt zu den Produzenten zu pflegen. Im Interview erzählt er, wie wichtig die Präsenz vor Ort ist, was die Besonderheiten am Rohkaffeehandel sind, welche Bedeutung Brasilien für Dallmayr hat und wie modernste Technologien auch klimatischen Bedrohungen entgegenwirken können.

Lieber Till, dein Job klingt ungewöhnlich: Du bist als Leiter Rohkaffee Einkauf dafür verantwortlich, welcher Kaffee bei Dallmayr in die Tasse kommt. Erklär doch mal kurz, was qualifiziert jemanden hierfür?

Ich bin seit 24 Jahren im Kaffee unterwegs und habe in meinem ganzen Berufsleben nie etwas anderes als Kaffee gemacht. Gelernt habe ich das Geschäft bei dem Bremer Kaffeeröster Gebrüder Westhoff, quasi von der Pike auf. Eine berufliche Laufbahn wie meine startet klassischerweise mit einer kaufmännischen Ausbildung bei einem Kaffeehersteller oder in einem Rohkaffeehandelshaus. Es ist wichtig viel Zeit in der relevanten Qualitätsabteilung zu verbringen, dort lernt man unheimlich viel über das Produkt Kaffee.

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Was schätzt Du an Deinem Beruf und der Rohkaffeebranche?

Kaffee ist ein Naturprodukt und so unglaublich vielseitig. Es gibt weltweit über 50 Länder, in denen Kaffee angebaut wird und jedes einzelne Ursprungsland hat nochmal eine riesige Bandbreite an unterschiedlichen Qualitäten. Aus dieser Fülle die besonderen Bohnen zu finden und sie zu einem richtig guten Kaffee zusammenzustellen ist eine sehr kreative und kunstvolle Arbeit. Was ich an der Rohkaffeebranche sehr zu schätzen weiß, ist aber auch das menschliche Miteinander. Die Qualifikation für diesen Job ist recht speziell, es gibt nicht so viele von uns, also kennt man sich untereinander. Der Rohkaffeehandel ist hanseatisch, bei uns zählt der Händedruck. Mein Job hat also auch viel mit Wertschätzung zu tun.

Eine Deiner letzten Ursprungsreise hat dich nach Brasilien geführt. Wie würdest du den Kaffee dort beschreiben?

Eigentlich spricht man nicht von DEM typischen Brasilkaffee. Es gibt vielmehr eine Bandbreite von unterschiedlichen Qualitätsprofilen, vom Mainstream bis zu den absoluten Top-Kaffees, die den Cup of Excellence gewinnen (Wettbewerb im Specialty Segment der besten Bohnen eines Landes). Brasilien ist zwar einerseits mengenmäßig das größte, aber hinsichtlich Flavour vielleicht nicht das vielfältigste Ursprungsland, das hat auch mit den Höhenlagen zu tun. Je höher der Kaffee wächst, desto langsamer wächst er, und je langsamer er wächst, desto mehr Zeit hat das Aroma, sich zu entfalten. In tieferen Lagen wie in Brasilien vollzieht sich dieser Prozess schneller, dadurch entsteht weniger Würze. Dafür zeichnen sich brasilianische Kaffees aber durch ihren milden Charakter und den guten Körper aus. Diese Kaffees eignen sich insbesondere für Espresso- und Café Crème Spezialitäten.

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Welche Rolle spielt Brasilien für Dallmayr?

Unsere wichtigsten Länder sind Brasilien, Äthiopien und Vietnam, wobei Brasilien mengenmäßig vorne liegt. Deshalb ist es auch entscheidend, gute Partner vor Ort zu haben. Sowohl auf Handelsseite, aber auch bis in den Ursprung hinein, bei den Produzenten. So eine Reise ist auch ein Zeichen der Wertschätzung und Anerkennung der wichtigen Arbeit unserer Prtner im Ursprung. Dadurch zeigen wir Präsenz in Brasilien und können persönliche Kontakte aufbauen und pflegen. Denn: „Coffee is a people business“!

Welcher Zeitpunkt bietet sich für eine Ursprungsreise besonders an?

Ich versuche eine Zeit abzupassen, in der ich ganz viel sehen kann, idealerweise während der Ernte. Zu anderen Jahreszeiten, wie etwa zur Blütezeit sieht Kaffee ebenso toll aus. Aber ich möchte vor allem die neue Ernte verkosten und die Qualität prüfen. Da richte ich mich dann nach den Produzenten und Exporteuren, die ich vor Ort treffen möchte. Die Bohnen unserer Spezialitäten-Kaffees stammen in der Regel von kleineren Produzenten und Produzentengruppen. Die großen Mengen, die wir beziehen, können wir nicht von einzelnen Produzenten eindecken. Diese Kaffees beziehen wir größtenteils über Handelshäuser.

Wie sieht ein typischer Tag im Ursprung aus?

Für eine Reise tut sich meist eine kleine Reisegruppe von Röster und Händlern zusammen. Vor Ort sitzende Exporteure und/oder Produzenten präsentieren ihr Team und wir besprechen die jüngsten Geschäfte, die Entwicklung am Markt und die Großwetterlage. Nach den Meetings gibt es meistens eine Verkostung der verschiedenen Qualitäten. Anschließend besichtigen wir die Kaffeefarm oder schauen uns ein Lagerhaus an. Meistens gibt es täglich zwei bis drei Meetings dieser Art, so dass man abends erst spät wieder im Hotel ist. In zwei Wochen ist da kaum Raum für Erholung, aber die wertvollen Begegnungen und vielen Eindrücke sind die Anstrengung allemal wert und daher freue ich mich immer drauf.

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Welche Erkenntnisse erhoffst Du auf Deinen Reisen zu erhalten?

In der Regel versuche ich, allen Produzenten und Farmern die gleichen Fragen zu stellen, um ein Gefühl für die allgemeine Stimmung zu kriegen und welche Themen für sie relevant sind. Aufgrund der Antworten kristallisiert sich für mich heraus, wie sich Exporteure und Produzenten selbst im weltweiten Wettbewerb wahrnehmen. Außerdem möchte ich mit eigenen Augen sehen, ob die Menschen mit dem Kaffeeanbau- und Handel Geld verdienen können. Das kann man unterwegs in den Kaffeeregionen ganz gut erkennen: Eine gute Infrastruktur oder neue Geschäfte sind ein guter Indikator, dass es der Bevölkerung vor Ort gut geht. Das ist sehr relevant für uns.

Ist das Klima ein Thema, dass dich generell stark beschäftigt?

Absolut. Das Klima ist ständig Thema. Wetterphänomene wie Frost und Dürre wird es häufiger geben – mit erheblichen Auswirkungen. In Brasilien muss man zum Beispiel davon ausgehen, dass der Klimawandel die Möglichkeiten begrenzt, noch mehr Kaffee anzubauen. Interessanterweise sind die Kaffeeanbaugebiete in den letzten 20 Jahren bereits kleiner geworden, gleichzeitig produzieren die Brasilianer aber viel mehr Kaffee als früher. Dahinter stecken Investitionen in die Farmer, damit sie effizienter anbauen können. Das Management vor Ort hat sich enorm verbessert.

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Inwiefern, was hat sich in Brasilien verbessert?

Was mich auf den großen Plantagen sehr überrascht hat, war der Einsatz modernster Technologie. Das war sehr auffällig! In Äthiopien beispielsweise wird Kaffee im Prinzip noch genauso angebaut wird wie vor hundert Jahren. In Brasilien hingegen machen Drohnen Fotos und kartographieren die gesamte Plantage. So weiß der Besitzer genau, wo welcher Baum steht. Um die Qualität zu untersuchen, werden Tests an verschiedenen Baumreihen gemacht. Teilweise werden Sensoren appliziert, die ständig den Boden messen und kontinuierlich Informationen darüber senden, ob ein Strauch von autonomen Fahrzeugen Dünger oder Wasser benötigt. Und zwar genauso viel wie nötig, nicht nach dem Gießkannenprinzip. Das ist natürlich hocheffizient!

Können andere Ursprungsländer da mithalten?

Brasilien ist weltgrößter Rohkaffeeproduzent und die Anteile steigen, weil viele andere Ursprungsländer nicht mehr mithalten können. Damit meine ich nicht, dass es überall so sein muss wie in Brasilien. Jedes Land hat eine ganz eigene Topografie und damit auch andere Voraussetzungen. Aber es besorgt mich, dass andere Länder im Weltmarkt abgehängt werden. Dadurch zentralisiert sich alles und fokussiert sich auf größere Länder wie Brasilien und Vietnam. Folglich geht die Vielfalt verloren, die Kaffee letztlich so spannend macht. Andere Länder, aber auch Kaffeeröster könnten enorm davon profitieren, sich wie Brasilien mit zukunftsweisenden Technologien auseinanderzusetzen.

Das Interview führte Sonja Pham - sie ist freie Journalistin stellvertretende Chefredakteurin von Grafikmagazin. Dass sie zuvor viele Jahre in der Gastronomie arbeitete schlägt sich in einer ausgeprägten Leidenschaft für Kaffee, Küchen und Kulinarik nieder.