Die beliebteste Pflanze der Welt

Auf eine Tasse Darjeeling mit Tee-Experte Rudolf Krapf

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»Die Entdeckung des Tees ist gewissermaßen der Paranoia eines chinesischen Kaisers zu verdanken«, erzählt Rudolf Krapf und lacht. Der Tee-Experte war jahrzehntelang für Verkostung und Einkauf bei Dallmayr zuständig, wer wüsste also bessere Geschichten über das raffinierte Getränk zu erzählen? Bei einer Teeprobe führt er ein in die Geheimnisse der wohl beliebtesten Pflanze der Welt – von der sagenumwobenen Entdeckung des Weißen Tees bis zu den einzelnen Nuancen von Grün- und Schwarztees.

Wo hat der Teegenuss seinen Ursprung?

Der Sage nach wurde Weißer Tee vor etwa 5000 Jahren vermutlich per Zufall entdeckt. »Der chinesische Kaiser Shên Nung ließ sich vor dem Trinken immer das Wasser abkochen, weil er befürchtete, vergiftet zu werden«, so Rudolf Krapf. Bei der Zubereitung seien den Vorkostern einige getrocknete Blätter vom Strauch in den Wasserkessel hineingefallen. »Als es dann diesen köstlichen Duft verströmte, probierten sie das Getränk – und stellten eine anregende Wirkung fest, weil Tee Koffein enthält.« Fortan, so die Geschichte, erfreute sich der Teegenuss großer Beliebtheit. Bis heute zählt China übrigens zu den »Big Five« der Teeproduktion – neben Indien, Sri Lanka, Kenia und Indonesien.

Laut Krapf ist Weißer Tee dem puren Zustand und der Natur am nächsten: Pflücken, trocknen, fertig. Im Dallmayr-Sortiment ist er als sogenannter Pai Mu Tan zu finden, bezogen aus der Bergregion der Provinz Fujian. »Übersetzt bedeutet der Name ›Weiße Pfingstrose‹, weil er diese weiß-silbrigen Blattspitzen besitzt«, erklärt Rudolf Krapf und faltet das gerollte Teeblatt auf: »Wenn man an der Blattspitze über den neuen Trieb streicht, fühlt es sich an wie ein weicher, flauschiger Mäusebauch.« Die Bezeichnung »Two leaves and a bud« schlüsselt das Erntemotto auf: Die zwei ersten kleinen Blättchen und der frische Trieb – denn nur dieser Teil der Pflanze sorgt für den milden Geschmack und die begehrten Inhaltsstoffe.

 

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Was geschieht bei der Ernte?

Nicht alle Schwarz- und Grüntees verfolgen diese Erntetechnik. Doch auch andere Sorten sind höchst aufwendig in Anbau und Herstellung; bis das dampfende Getränk in der Tasse landet, passiert der Tee viele einzelne Stationen. Bei der industriellen Fertigung wird Tee nach der CTC-Methode produziert, erläutert Krapf. »Die steht für das Englische Crushing Tearing Curling. Der Tee wird manchmal per Hand gepflückt, meist aber maschinell, wird dann zermalmt, mit Dornenwalzen von den Blattrippen getrennt, und schließlich gerollt. Es entstehen Kügelchen, deren Größe man beispielsweise für Teebeutel entsprechend planen kann.« Etwa 90% der Teeproduktion würde weltweit nach der CTC-Methode geschehen. Dallmayr hingegen führt, mit einer einzigen Ausnahme, nur orthodoxe Tees. »Orthodox bezeichnet die traditionelle Herstellung: Pflücken von Hand, das frische Blatt welken lassen, um ihm die Feuchtigkeit zu entziehen, dann in der Rollmaschine bearbeiten, damit die Zellen aufbrechen. So kommt der Luftsauerstoff ans Blatt, der die Schwarzfärbung einleitet.« Der Begriff Fermentation sei hier etwas irreführend, da es sich eigentlich um eine Oxidation handelt: Wie ein Stück Eisen an feuchter Luft rostet oder ein angeschnittener Apfel rasch braun wird, so oxidiert der Tee an der feuchten Luft und die Blätter werden schwarz. Nach diesem Prozess wird der Tee auf großen, blanken Tischen ausgebreitet, etwa einen Zentimeter hoch, damit Luft herankommt. Sogenannte Fermentationsmeister erkennen anhand der Farbe und des Geruchs, ob der Prozess abgeschlossen ist. 

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In diesem Zustand ist der Tee noch immer feucht und wird unmittelbar danach bei etwa 90 Grad getrocknet. Mit einer Restfeuchtigkeit von etwa 5 bis 6 Prozent kann er nicht weiter fermentieren. Anschließend wird der Tee mit Rüttelsieben in verschiedenen Lochgrößen nach Blattgraden sortiert und ist nun fertig für den Export. Die Sortierung hat dabei nichts mit der Qualität des Tees zu tun, denn alle Blattgrade stammen aus derselben Pflückung. Hier geht es nur um den späteren Verwendungszweck, also ob daraus loser Tee oder Teebeutel werden. »Wenn der Tee morgens um 7 Uhr gepflückt wurde, ist er mittags um 12 schon gebrauchsfähig«, so Krapf. Natürlich gilt das lediglich für eine einzige Charge, die oftmals nur 100-150 Kilo wiegt. Benötigt man eine größere Menge Tee, sind oft bis zu 50 Einzelchargen notwendig, um die Mischung zu erstellen. Wer begreift, wie viele sorgfältige Handgriffe hinter einer einzigen Tasse Tee stecken, sieht den Wert des Getränks sicherlich mit anderen Augen.

Was ist eigentlich Flugtee und woher haben die Tees ihre Namen?

Nach der Winterpause beginnt in Darjeeling die allererste Pflückung ab etwa Mitte März. Der sogenannte »First Flush« ist die edle Sorte, die in dieser Zeit hergestellt wird. Die ersten Chargen werden als Flugtee direkt nach der Verarbeitung per Flieger in die ganze Welt exportiert – frischer und frühlingshafter geht’s fast nicht. Dallmayr war im April 1959 übrigens der Erste, der Flugtee in Deutschland angeboten hat. Der »Second Flush« bezeichnet schließlich die zweite Pflückung von etwa Mitte Mai bis Ende Juni.

Darjeeling First Flush, Darjeeling Second Flush, Ceylon, Assam – die bis heute gebräuchlichen Namen der Tees beziehen sich also sowohl auf ihre Herkunft, als auch Erntezeit. Für Spitzfindige: Wer es übrigens ganz genau nimmt, darf nur Blätter und Aufguss der genuinen Teepflanze als »Tee« bezeichnen – abweichend von der Sprachnorm sind die Aufgüsse von Kräutern, Früchten oder Gewürzen eigentlich »teeähnliche Erzeugnisse«.

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Wie unterscheiden sich Grün- und Schwarztees?

Egal, ob man einen Weißen Tee vor sich hat, einen Grünen, Schwarzen, oder sogar halbfermentierten Tee, das Ausgangsmaterial ist immer das Gleiche, sagt Rudolf Krapf: ein grünes, frisch gepflücktes Teeblatt. »Beim Grünen Tee wird nach dem Pflücken die Teepflanze erstmal erhitzt – entweder gedämpft oder in Eisenpfannen unter Wenden geröstet, traditionell auf dem Feuer. Durch diesen Prozess werden die im Blatt enthaltenen Enzyme abgetötet, ohne die es auch keine Fermentation oder Oxidation geben kann. So bleibt der Tee dann grün. Später wird das Blatt getrocknet und wieder in Form gebracht.« Klassische Beispiele für hochwertige Grüntees aus dem Dallmayr-Sortiment wären etwa der Japanische Sencha, oder der Pi Lo Chun aus Taiwan.

Eine Besonderheit liegt dem Oolong zugrunde: Als halbfermentierter Tee ist er nicht nur geschmacklich herausragend, sondern auch in seinem Aussehen: »Oolong, das heißt übersetzt so viel heißt wie ›Schwarzer Drache‹, weil die Blätter aussehen wie Drachenflügel«, so Krapf. »Er wird gepflückt und von Hand gerollt, anstatt maschinell hergestellt. Außerdem ist die Fermentationszeit sehr kurz – irgendwas zwischen zwanzig und dreißig Minuten im Vergleich zu sonst eher zwei Stunden. Wenn man also das Blatt auffaltet, sieht man, dass der Tee ein Mittelding zwischen Grün und Schwarz ist: Es ist oft von außen nach innen fermentiert, das Herz des Blattes ist also immer noch grün und der äußere Rand braun.« Diese aufwendige Zubereitungsart verleiht dem Oolong seinen auffälligen leicht brotigen Geschmack. Seine blumige Note bekommt er von den Pfirsichbäumen, die zwischen den Teebüschen als Schattenspender dienen und deren Pollen sich auf die Teeblätter legen.

Wirkt sich die Zubereitung auf die Bekömmlichkeit des Tees aus?

Rudolf Krapf, der kraft seines Amtes als Tee-Verkoster immer wieder zur Bekömmlichkeit von Tee referieren konnte und dem für seine Verdienste sogar das Goldene Teeblatt verliehen wurde, ist sich sicher: Mit Tee tut man der Gesundheit viel Gutes. In seinem Beruf probierte er sich täglich durch zirka 300 Tassen Tee und ist fest von der Bekömmlichkeit und erfrischenden Wirkung des Getränks überzeugt. Dass man es mit dem Koffein natürlich auch nicht übertreiben sollte, versteht sich für ihn von selbst. Hier kommt er aber auch Irrtümern auf die Schliche: »Wenn man sich die etwa die Farbunterschiede zwischen Grün- und Schwarztee so anschaut, verlaufen sie von hell–grünlich bis immer dunkler. Man könnte meinen, dass die dunklen Tees die kräftigeren sind, die viel Koffein enthalten, aber tatsächlich ist das Gegenteil der Fall. Je kleiner und je jünger das Blatt im Tee, desto mehr Koffein ist drin, weil die Teepflanze mit dem Koffein die jungen Austriebe vor Schädlingen schützt. Je älter die Blätter werden, desto härter und ledriger, desto uninteressanter sind sie für Insekten. Das Koffein baut sich mit der Zeit ab. Die zarten, blumigen Tees mit überwiegend Blattspitzen haben also oftmals einen höheren Koffeingehalt als die kräftigen, dunkelziehenden Tees «

 

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