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Die Teekultur Kyotos

Ein Erbe aus Uji

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Kyoto und insbesondere die Region Uji sind berühmt für ihre herausragende Teekultur. Seit Jahrhunderten wird hier hochwertiger Grüntee angebaut, insbesondere Sencha, Gyokuro und Matcha. Die klimatischen Bedingungen – häufiger Nebel, nährstoffreiche Böden und eine lange Tradition sorgfältiger Anbaumethoden – tragen zur exzellenten Qualität des Tees bei. Uji-Tee genießt daher sowohl in Japan als auch weltweit einen besonderen Ruf.

Das Teehaus Yugen – Tradition trifft Moderne

Während unseres jüngsten Japan-Aufenthalts besuchten wir als Familie das Teehaus Yugen, das sich in einer ruhigen Ecke Kyotos nahe des Kaiserpalasts versteckt. Schon beim Betreten des von außen unscheinbar wirkenden, vierstöckigen Gebäudes wird deutlich, dass dieser Ort eine Brücke zwischen Tradition und Moderne schlägt. Die minimalistische Inneneinrichtung kombiniert warme Holztöne mit einer auf das Wesentliche reduzierten Ästhetik. Doch im Mittelpunkt steht hier der Tee – und das in außergewöhnlicher Qualität.

Der Raum, teils Keramik-Konzeptladen, teils Teehaus, strahlt eine ruhige, fast meditative Atmosphäre aus. Umgeben von sorgfältig ausgewählten Keramiken, handgeschöpften Papieren und duftenden Teedosen wurden wir zu einer Teeverkostung eingeladen, die sowohl verspielt als auch tiefgründig war: von blumigem Gyokuro über erdigen, kräftigen Hōjicha bis hin zu einer leicht fermentierten Spezialität, die wir noch nie zuvor probiert hatten.

Im Erdgeschoss von Yugen erwartet die Besucher eine kuratierte Auswahl an hochwertigen japanischen Tees, insbesondere Single-Origin-Sencha aus verschiedenen Anbaugebieten Japans. Diese Tees sind besonders aufgrund ihrer sorgfältigen Verarbeitung und der Art, wie sie das Terroir ihrer Herkunftsregion widerspiegeln. Während der Verkostung probierte ich verschiedene Sorten – von einem sanften, leicht süßlichen Sencha aus Kagoshima bis hin zu einem tiefgründigen, umami-reichen Gyokuro aus Uji. Besonders beeindruckend war die Präzision, mit der jeder Tee zubereitet wurde: Temperatur, Ziehzeit und Wassermenge waren perfekt abgestimmt, um die Aromen optimal zur Geltung zu bringen.

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Eine Verkostung, die alle Sinne berührt

Die Zubereitung des Tees folgte Prinzipien, die tief in der japanischen Teekultur verwurzelt sind. Die traditionelle Teezeremonie, die im Chado (»Weg des Tees«) verankert ist, verbindet Ästhetik, Achtsamkeit und Gastfreundschaft zu einem harmonischen Erlebnis. Jeder Schritt – vom Aufgießen des Wassers mit einer hölzernen Hishaku-Kelle bis hin zum bewussten Heben und Drehen der Schale vor dem ersten Schluck – ist eine Übung in Präzision und Wertschätzung. Auch wenn unsere Verkostung nicht in einem formellen Zeremonienraum stattfand, so war doch der Geist dieser jahrhundertealten Kunst spürbar. Unser Gastgeber bereitete jeden Aufguss mit ruhigen, fließenden Bewegungen zu, als würde er eine Choreografie vollführen.

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Süße Begleiter und eine unerwartete Freundschaft

Dazu gab es exquisite Süßigkeiten: Shiruko aus Kastanien, eine warme, seidig-glatte süße Suppe mit gefüllten Hefeknödeln, oder Goma Dango, mit Sesam überzogene Reismehlbällchen mit einer samtigen Adzukibohnenfüllung – begleitet von kurzen Erklärungen zu den Aromen der Tees und ihrer optimalen Begleiter. Während wir Eltern uns verwöhnen ließen, hatte unsere vierjährige Tochter längst Freundschaft mit dem Gastgeber geschlossen. Zwischen den Teekannen entspann sich ein Gespräch über Paw-Patrol-Charaktere – eine Mischung aus Deutsch, Englisch und Japanisch.

Das letzte Mal waren wir 2019/2020 in Japan, kurz bevor die Pandemie ausbrach. Dieses Jahr mit einer Vierjährigen zurückzukehren, bedeutete einiges an Erwartungsmanagement, doch wir waren überrascht, wie warmherzig und gastfreundlich die japanischen Gastronomen unsere Tochter behandelten. Sie öffnete uns im übertragenen und wörtlichen Sinne viele Türen. »Kawaiiii!« (japanisch für »niedlich«) war wahrscheinlich das Wort, das sie am häufigsten hörte. Diese Herzlichkeit war an fast jedem Ort zu spüren, den wir besuchten, aber einer der unvergesslichsten Momente war unsere spontane Teeverkostung im Yugen, die Tee als kulturelle Erfahrung zelebrierte.

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Mehr als nur Tee – eine kulturelle Begegnung

Ein besonderes Highlight zum Schluss: In den oberen Stockwerken des Gebäudes finden sich ein eleganter Raum für traditionelle Teezeremonien sowie eine Galerie mit wechselnden Kunst- und Designausstellungen – hier konnten wir nach der Verkostung herrlich stöbern … Yugen verbindet Vergangenheit und Gegenwart auf harmonische Weise und macht die japanische Teekultur auf eine neue, inspirierende Art erlebbar. Ein absoluter Geheimtipp für Kyoto-Besucher!

Text & Bild: Sonja Pham

Sonja Pham (www.sonjapham.com) ist freie Journalistin und stellvertretende Chefredakteurin der Fachzeitschrift Grafikmagazin. Dass sie zuvor viele Jahre in der Gastronomie arbeitete schlägt sich in einer ausgeprägten Leidenschaft für Kaffee, Küchen und Kulinarik nieder. Die Bilder des Beitrags sind von © Duy Anh Pham.